Erik Thiele ist am frühen Mittwochnachmittag gerade auf dem Gelände der Polizei-Fachhochschule in Aschersleben unterwegs. Es rauscht im Hintergrund des Telefons. Eine kurze Pause an der frischen Luft zwischen den Vorlesungen für den 21 Jahre alten Studenten und Ringer. Was nach Hochschulschluss noch so ansteht? „Training“, sagt Thiele. Na klar, Training.
Wieder in Eisleben beim KAV Mansfelder Land, für den er seit 1. September bei Einzelmeisterschaften an den Start geht? „Nein, heute direkt in der Hochschule.“ Interessant, an der Polizei-Fachhochschule kann man also Ringen trainieren. „Na ja, nicht ganz“, erzählt Thiele und lacht, „hier gibt es eine Judo-Matte, die wird zweckentfremdet.“
Alle Kämpfe der U23-Weltmeisterschaft im Ringen finden an einem Tag statt
Erik Thiele nutzt aktuell jede nur mögliche Trainingseinheit, die er bekommen kann. Der 21-Jährige bereitet sich auf sein Highlight der aktuellen Saison vor: die vom 21. bis 26. November im polnischen Bydgoszcz stattfindende U23-Weltmeisterschaft.
Dort ist Thiele einer von fünf deutschen Ringern, dazu kommen noch zwei Frauen, die der Deutsche Ringer-Bund entsendet. Thiele gilt in seiner Gewichtsklasse – 97 Kilo Freistil – als Top-Talent und kommender Olympia-Teilnehmer. So wie es Vater Sven Thiele war, der Vizeweltmeister von 1995.
Erik Thiele wird in der kommenden Woche als einer der Mitfavoriten zu den Welttitelkämpfen reisen. Nach einer schwierigen Saison aufgrund einer Knieoperation im Frühjahr, die ihn zwei, drei Monate außer Gefecht setzte , ist eine Medaille sein persönliches Ziel. „Ich werde mich natürlich nicht davor scheuen, jeden Kampf zu gewinnen“, sagt er, „aber wenn am Ende nur die Silber- oder Bronzemedaille herausspringt, ist das auch gut.“
Die Krux an der Sache ist auch, dass es für Thiele und seine Konkurrenten auch ein Stück weit ein Abnutzungskampf wird. Von den ersten Qualifikationskämpfen bis zum Finale – der komplette Wettkampf wird an einem Tag – dem Finaltag der U 23-WM – ausgetragen. Und: „Umso weiter man ist, desto weniger Pausen hat man“, sagt Erik Thiele.
Erik Thiele hat sich beim KAV Mansfelder Land gut auf die U23-Weltmeisterschaft im Ringen vorbereitet
Bis an die Belastungsgrenze, und vielleicht auch darüber hinaus – darauf hat sich der 21-Jährige in den letzten Wochen intensiv vorbereitet. Nicht nur auf der Judo-Matte in der Polizeihochschule, sondern vor allem beim KAV Mansfelder Land.
Drei Wochen hat er in Eisleben mit Anzor Urishev trainiert. Der 31 Jahre alte Russe kämpft für den KAV in der Deutschen Ringerliga und gilt als Weltklasseringer. Urishev wurde 2010 und 2011 Europameister, 2012 und 2013 Dritter. „Wir haben viele Kampfübungen zusammen gemacht“, gibt Erik Thiele einen kleinen Einblick in das täglich zweistündige Programm. „Er hat mir unheimlich viel gezeigt.“
Vor allem technisch gilt Urishev als einer der besten, Erik Thiele hat einmal gesagt, Urishev würde auf der Matte tanzen. Und er kann lehren: „Meine Präzision bei den Techniken ist viel besser geworden“, so Thiele.
Mit dieser gezielten Vorbereitung will der 21-Jährige nun in Polen sein Ziel von einer Medaille erreichen. Und vielleicht wird es ja noch mehr, als „nur“ eine Medaille in seiner ausgeglichen besetzten Gewichtsklasse. Thiele jedenfalls sagt: „Ich fühle mich richtig gut in Form.“ Dank Weltklassemann und „Tänzer“ Anzor Urishev – aber irgendwie auch dank dieser Judo-Matte an der Polizeihochschule in Aschersleben.
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